Kom-Emine, eine Wanderung durch Bulgarien
Wie jedes Jahr gab es, viel zu spät, ein großes Palaver, wo wir heuer wandern sollten. Erstmals würde uns unsre Tochter begleiten, eine hochalpine Tour, wie im vergangenen Jahr den spanischen GR11, wollten wir daher nicht wagen. Am Ende entschieden wir uns für den bulgarischen Teil des E3, in Bulgarien Kom-Emine genannt, der vom Kom an der serbischen Grenze bis zum Kap Emina am Schwarzen Meer führt.
Bulgarien? Geht das überhaupt? Das gängige Vorurteil würde nahelegen, dass man es unterlassen sollte: chaotisch, alles kaputt, Korruption und Chaos. Ich hatte in den letzten Jahren mehrmals geschäftlich in Bulgarien zu tun und die Bulgaren dabei als sehr freundliche Menschen kennengelernt. Ausflüge ins Rila- und Piringebirge vor zwei Jahren sind uns in guter Erinnerung geblieben, daher haben wir und sehr rasch und einstimmig für diese Wanderung entschieden.
Der Verlag Oilaripi bietet einen Führer in englischer Sprache, den wir bestellten. Bald stießen wir auf die Warnung, einige Hütten könnten aufgelassen, oder nur auf Zuruf geöffnet zu sein. Nach einigem Suchen fanden wir über Facebook einen Bergführer, der die Wirte kennt und die nötigen Telefonate für uns erledigte. An den beiden Stellen, an denen Strecken von 40 Kilometern und mehr zu überwinden gewesen wären, richtete er Camps ein, sodass wir weder Zelt noch größere Mengen an Proviant tragen mussten.
Knapp vor Abfahrt war alles gebucht und wir konnten beruhigt starten. Ein Transporter holte uns in Sofia ab und fuhr und bis knapp an die Kom- Hütte, in der wir die erste Nacht verbrachten.
Gleich die erste Etappe war relativ lang und endete, nach einem fast endlosen, steilen, Abwärtsstück mit einer Nacht im Zelt. Am zweiten Tag wanderten wir vornehmlich auf Asphalt. Von dort an wurde der Weg optimal, Asphalt gab es höchstens noch von Weitem, die Landschaft war durchgängig schön, und wir konnten die Wanderung genießen.
Der Kom-Emine ist der bulgarische Nationalwanderweg. Er führt, technisch nicht sehr anspruchsvoll, auf gut markierten Fußwegen, immer dem höchsten Grat des Balkans entlang. Anfangs gingen wir, auf mittlerer Höhe, durch Wälder und Almen, beobachtet von Rehen, Wildschweinen, Pferden und Kühen, dem Westbalkan entlang.
Der Anstieg zum deutlich höheren Zentralbalkan fällt kaum auf. Dieser Bereich ist ein großer Nationalpark und er ist deutlich alpiner. Zwischen der Dobrilla- und der Botevhütte gibt es sogar eine kleine, gut gesicherte, Kletterei. Bei schlechtem Wetter kann man die Stelle umgehen, sie gilt aber als Höhepunkt der Wanderung. Immer wieder sieht man das Land, einen Großteil Bulgariens, unter einem vorbeiziehen. Der ständig wechselnde Ausblick begeistert immer wieder neu. Der Ostteil wird dann wieder zunehmend flacher und waldig, auch deutlich heißer. Zum Schluss endet der Weg beim Kap Emine am Meer.
Bulgarische Hütten kann man mit Österreichischen nicht im Mindesten vergleichen: Sie sind zwar zumeist deutlich größer als unsre und gehören dem Staat, aber der ist nicht in der Lage, sie so zu erhalten, wie wir es vom Alpenverein gewohnt sind. Es gibt fast immer Betten und Leintücher, trotzdem ist der Standard niedrig. Häufig sind Teile der Hütte baufällig und nicht mehr benutzbar. Die Speisekarte ist zumeist sehr klein, oft gibt es einfach nur ein Gericht, stets aber haben wir Salat, oft auch Obst, dazubekommen. Geschmeckt hat es uns immer, denn gekocht wird in Bulgarien mit großer Liebe, Zeit spielt dabei keine große Rolle.
Die Hüttenwirte sprechen zumeist nur Bulgarisch, in Ausnahmefällen auch Russisch oder Spanisch. Eine Wirtin, der Englisch konnte, haben wir nur einmal gefunden. Die Kommunikation ist damit zwar schwierig, aber weil die Wirte immer sehr freundlich, hilfsbereit und voll des besten Willens waren, stellte das für und kein ernst zu nehmendes Problem dar. Freundlich waren auch alle anderen Menschen, die wir trafen, Hirten, Holzfäller, Beeren- und Kräutersammler oder die wenigen Wanderer, die, wie wir, dem Weg entlang gingen. Hirten und Holzfäller verfügen oft über ganz beachtliche Mengen an Raki und teilen den gerne mit Wanderern, sie stellen daher eine ernstzunehmende Gefahr dar. Weil die Leute so nett waren, tat es uns leid, nur wenige Worte mit ihnen sprechen zu können.
Am Ende sind wir begeistert in Emona, dem letzten Dorf vor dem Cap, angekommen. Landschaftlich war es wunderschön gewesen, die Menschen waren ein Erlebnis und preislich ist Bulgarien ohnehin sensationell günstig. Die Wirtin im „Saloon“ von Emona wollte sich, nachdem sie gesehen hatte, dass wir den ganzen Weg gewandert waren, das Fanta nicht bezahlen lassen, im Gegenteil, sie schenkte uns noch Honig aus eigener Produktion und erinnerte uns daran, dass die kommende Nacht die der fallenden Sterne (Perseiden) sei. Das Kap selbst war voller lärmender Menschen, die sich dort gegenseitig fotografierten. Wir drei und Gaby, ein Mädchen aus Sofia, das die letzten Etappen mit uns gewandert war, saßen ein paar Stunden lang leise und wehmütig dort und dachten an all das Schöne, das uns in den letzten drei Wochen passiert war.
„Johannes, warum kommen so wenige Leute aus Europa hierher zum Wandern?“ „Gaby, ich denke, sie wissen nicht, wie schön es hier ist!“ „Schreib doch einen Bericht für die Zeitung!“ „Ja, das werde ich machen“.
Einige kurze Anmerkungen: Das Bergrettungswesen in Bulgarien scheint nicht hoch entwickelt, Helikopter stehen ausnahmslos nicht zur Verfügung. „Was auch immer passiert, ihr müsst zur nächsten Hütte kommen“ war die Warnung unseres Führers. Ohne Vorausbuchung wären wir mehrfach vor verschlossenen Hütten gestanden. Eine Übernachtung kostet, samt Essen, ca. 30 Leva (15 €). Generell gibt es relativ viel Wasser, nur ganz im Osten wird das Wasser, auch aufgrund der Hitze, zum Problem.
Der Reiseführer (Englisch und Bulgarisch sind beinahe wörtlich gleich) ist nicht wirklich gut gemacht, die Angaben sind zwar selten falsch, die Karten und Höhenprofile aber der der vielen verschiedenen Maßstäbe wegen nicht sehr hilfreich. Es gibt Wanderkarten, allerdings im Maßstab 1:200.000. Zusätzlich gibt es sehr gute Karten für Smartphones sowie GPS-Tracks. Der Weg ist durchgängig gut markiert. Wir haben insbesondere mit Locus Maps gute Erfahrungen gemacht.
Geführte Wanderungen werden zumeist in sehr großen Gruppen (ca. 50 Leute) vom Bulgarischen Alpenverein veranstaltet und erscheinen uns nicht empfehlenswert. Das Wetter ist im Hochsommer zumeist gut, der Balkan ist aber eine starke Wetterscheide. Sturm, Gewitter oder starker Regen und Nebel kommen daher vor. Der Weg kann übrigens auch im Winter mit Schien begangen werden, überhaupt haben wir im Zentralbalkan einige schöne Schitouren gesehen!
Länge: ca. 650 km
Markierung: Weiß/Rot/Weiß oder Gelb/Weiß (Wintermarkierung), die Markierung ist durchgehend gut.
Kosten (3 Personen): ca. 50€ pro Tag