
Unsre Wanderung auf dem GR11 durch die Pyrenäen
Es war um Weihnachten ’15 herum. „Was meinst Du, sollen wir wieder einmal eine größere Wanderung versuchen?“ Die Letzte lag schon fast 30 Jahre zurück, der E4 in Nordgriechenland, ein tolles Erlebnis, das auch das Ende unsrer Jugendzeit markiert. Danach waren die Kinder und der berufliche Aufstieg gekommen. 2015 aber war auch die Kleine bereits aus dem Haus, sie studierte in Norddeutschland und die Große erwartete unser zweites Enkelkind. Sogar der Beruf konnte mittlerweile ein paar Wochen ohne uns auskommen.

Im Gegensatz zur Griechenlandwanderung in den ’80er Jahren, fanden wir für alle Strecken, die wir erwogen, Landkarten und das Internet half bei der Planung. Es war einfach toll, all die möglichen Wege vorab mit Google Earth „abzufliegen“. Am Ende entschieden wir uns für die Pyrenäen. Nicht der populäre GR-10 in Frankreich, nicht die HRP, die immer der Grenze entlang verläuft, sondern den eher unbekannteren spanischen GR-11.


Der GR-11 verbindet den Atlantik bei Irún mit dem Cabo de Creus am Mittelmeer. Er führt durch das spanische Baskenland, Andorra und Katalonien. Offiziell sind es 820 km, 46.000 Höhenmeter, 44-45 Tagesetappen. Am 1. Juni waren wir in San Sebastian, unser Gepäck leider nicht, es kam einen Tag verspätet. Ein Taxi brachte uns gegen Mittag nach Irún und wir konnten endlich – bei schlechtem Wetter – starten.


Die ersten Etappen waren nebelig, die Pyrenäen noch zahme, mittelgebirgsähnliche Hügel von geringer Höhe. Der Weg folgte mehr oder weniger der Grenze zu Frankreich, blieb aber immer auf der spanischen Seite. Es war sehr einsam, auch, weil es noch früh im Jahr war. Die Hügel wurden von Ponys und Kühen beweidet, unsere erste Nacht verbrachten wir in einem Zelt hoch über einem kleinen Ort. Von Tag zu Tag ging es dann höher hinauf, wir hatten immer wieder eiskalte Bäche zu durchwaten, nicht alle waren ungefährlich.


Am neunten Tag standen wir endgültig vor schneebedeckten Bergen. Die nächste Etappe sollte extrem steil und eisig werden. Wir kauften daher in Sallent de Respomuso Steigeisen. Das war eine gute Wahl, denn sie erwiesen sich als absolut notwendig im steilen Harsch und erleichterten in Folge die Wanderung auch dort beträchtlich, wo es ohne gegangen wäre. Die Eispickel, zu denen uns der Verkäufer geraten hatte, wären aber unsinnig gewesen, unsere Wanderstöcke reichten aus.
Von da an ging es immer durch echtes Hochgebirge. Der Weg verlief beinahe ständig oberhalb von 2.000 Metern Höhe, war oft ausgesetzt und es gab kleinere Kraxeleien von geringer Schwierigkeit. Das Wetter hatte sich rasch gebessert, und schön blieb es auch, Regen gab es, wenn überhaupt, nur nachts, wenn wir schon Quartier bezogen hatten. Die Seen, an denen wir fast täglich vorbei kamen, waren um diese Zeit noch teilweise zugefroren, sie leuchteten in den unglaublichsten Farben.

Der GR-11 bietet etliche Höhepunkte. Allen voran der Ordesa Canyon mit seinen spektakulären Wasserfällen und mittelalterlichen Brücken, oder Núria mit seiner unglaublichen Eisenbahn. Gleich hinter dem Refugio Goriz verloren wir den Weg im Schnee und mussten einen großen Umweg über Nerin nehmen. Landschaftlich war das sicher eines der schönsten Stücke.

Am östlichen Teil des Weges kamen wir, knapp vor wir Andorra betraten, in die Blüte der Ginsterbüsche. Ganze Bergrücken waren gelb, der Duft war herrlich. Im Osten findet sich auch der höchste Grat, den wir besteigen mussten, 2.818 Meter Höhe, kein Problem, denn dort ist man bereits perfekt akklimatisiert. Für Fans von Gipfelsiegen, das sind wir nicht, gab es immer wieder die Chance, kleinere Umwege zu machen und dabei 3000er zu besteigen


Nur an Stellen, an denen wir Äste des Jakobswegs kreuzten und an den Wochenenden, begegneten uns viele Wanderer. Ansonsten waren wir weitgehend alleine. Die wenigen Kameraden, die wir auf unsrem Weg überholten, waren allesamt nett. Ich erinnere mich an zwei Israelis am dritten Tag, oder an einen pensionierten Architekten, der die letzten Etappen parallel zu uns ging, und ein Freund wurde.

Erst für die letzten drei Etappen, bereits im Juli, wurden die Berge wieder niedriger. Dort war es auch extrem heiß. Am 37. Tag erreichten wir bei Llança das Mittelmeer. Das war unser Ziel. Die letzten beiden Tage, den Weg auf das Cabo de Creus, Spaniens östlichsten Punkt, ersparten wir uns. Wir legten uns stattdessen an den Strand.

Unser Zelt hatten wir kaum jemals gebraucht. Wir fanden fast überall sehr gute Übernachtungsmöglichkeiten, Hotels, Pensionen und Refugios. Am 24. Juni, einem Samstag, wurden wir im Refugio Vallferrera wegen Platzmangels abgewiesen, da half auch der Alpenvereisausweis nichts. Wir mussten campen. Ähnlich ging es uns am Refugio de I’lla, das wegen Reparaturarbeiten unbenutzbar war. In beiden Fällen waren wir froh, unser kleines Zelt dabei zu haben.


Mehrgängige Menüs sind in Spanien auch auf Schutzhütten normal, die Verpflegung daher hervorragend. Zum Essen gab es immer Wasser und sehr guten Wein aus lokaler Erzeugung, beides ist im Preis enthalten. Der kulinarische Höhepunkt für uns war sicher Beget!


Der Weg ist zwar durchgängig markiert, wirklich toll war die Kennzeichnung aber nur in Navarra. In Aragon wurde sie schlechter, in Andorra wieder besser, und in Katalonien war sie mäßig. Dazu kommt noch, dass sich die Art der Markierung an jeder Provinzgrenze ändert. Es dauert dann einige Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat. Es empfiehlt sich daher, einen GPS- Track und entsprechendes Kartenmaterial am Telefon zu haben.
Der Weg ist auch für hervorragende Mountainbiker absolut nicht durchgängig mit dem Fahrrad befahrbar. Es gibt kleinere Kraxeleien, über die man das Rad tragen müsste, viele Stellen sind extrem steil und ausgesetzt.

Heute, ein paar Wanderungen später, ist uns diese eine Wanderung immer noch ein herausragendes Ereignis. Vielleicht, weil es die erste nach so langer Zeit war, die erste in der „zweiten Lebenshälfte“. Sicher auch, weil wir noch nicht wussten, ob wir den Strapazen gewachsen sein würden und unsre Ausrüstung unerprobt war. Die Befriedigung, das Abenteuer überstanden zu haben und in der Strandbar in Llança mit kühlem Bier auf unsren Erfolg anstoßen zu können, war unbeschreiblich!

Wanderführer: Unser Cicerone „The GR11 Trail“ erwies sich im direkten Vergleich als besser, als die deutschsprachigen Führer, die andere Wanderer verwendeten.

Sprache: Man kommt durch 3-4 Sprachgebiete: Baskisch, Spanisch, Französisch und Katalanisch. Im Westen ist Spanisch beinahe ein Muss, notfalls kommt man auch mit Italienisch mehr oder weniger gut klar. Französische Touristen spielen eine größere Rolle, sodass Französischkenntnisse hilfreich sein können. Auf Englisch (oder gar Deutsch) sollte man nicht vertrauen!
Unsere Streckenlänge, mit allen Verirrungen und Umwegen: ca. 900 km, 47.000 Höhenmeter Aufstieg/Abstieg, 37 Tage.

Ideale Wanderzeit: Häufig wird Mitte Juni oder Juli genannt, denn da gibt es keine Probleme mehr mit dem Schnee, allerdings wird es dann im Osten brutal heiß. Die letzten Etappen sind zwar einfach, aber lang und es gibt wenig Wasser. Ich denke, dass wir es gut erwischt haben!

