Streckenwanderungen

Von Istanbul nach Konya

Auf einem alten Pilgerweg durch die Türkei

Es war ein eher unscheinbares Geschenk, das ich vergangenes Jahr unter dem Christbaum fand. Nach Buch sah es nicht unbedingt aus. Als ich es öffnete, fiel eine Kappe heraus, ein paar Sticker, ein Stempelpass und zwei Wanderführer. Suffitrail von Iris Bezuijen und Sedat Cakir.

Eine Wanderung in der Türkei?

Ja, warum eigentlich nicht? Die Türkei ist ein Land, von dem wir wenig wissen. Viele Leute, die bei uns leben, kommen von dort, und viele von uns waren schon einmal dort. In der Regel in Antalya. Aber dorthin führt der Weg nicht, im Gegenteil, er beginnt zwar am Meer, in Istanbul, führt dann aber durch das Landesinnere bis Konya.

Die Route, so, wie sie im Führer vorgeschlagen ist

Der Führer fokussiert sehr stark auf Türkische Mystik und dafür interessieren wir nur am Rande, aber er zeichnet einen Weg durch eine Gegend, auf die wir neugierig waren. Der Weg schien uns zwar recht neu angelegt zu sein, aber die Wegführung ist durchdacht. Leider kamen wir mit der Planung nicht weiter, es gab kaum weiterführende Informationen im Netz. Auf der letzten Seite des Führers stand eine E-Mail Adresse, unter der man die Autoren kontaktieren konnte. Und das taten wir dann, wenn auch etwas schüchtern. Wir fühlten uns mehr als nur willkommen. Wir schrieben einige Mails hin und her, wir telefonierten auch mit den Beiden. Sie schienen und sehr nett zu sein. Am Ende hielten wir uns an ihren Rat, kein Zelt mitzunehmen.

Antike Funde am Weg. Wir hatten das Glück, dass uns die Fundstätte von einem Archäologen gezeigt wurde.

Am sechsten April flogen wir nach Istanbul, am nächsten Tag fuhren wir mit dem Boot nach Yalova und starteten in ein Abenteuer, das wir so schnell nicht vergessen würden (die vorgeschlagene Etappe in Istanbul haben wir ausgelassen)

Unser „offizielles vorher Bild“, aus Yalova
Eine Botschaft von Iris und Sedat

Iris und Sedat waren ungefähr zur selben Zeit dort, wir hofften, sie zu treffen, leider gelang das nicht. Dafür hatten die beiden uns eine spezielle Wegmarkierung hinterlassen: Ein Herz mit unsrem Namen drauf.

Ein Quartier für die erste Nacht zu finden war einfach, wir schliefen bei einem englischen Ehepaar, das direkt am Weg lebt und Gäste bewirtet, auch für die Nacht darauf fanden wir ein Quartier.

Aber schon die dritte Nacht stellte uns vor große Schwierigkeiten: Es gab keine Herberge, auch der Muhtar, der Bürgermeister also, konnte, oder wollte, uns nicht helfen. Wir sprechen kein Türkisch und Händen und Füßen kamen wir nicht weiter. Knapp, bevor wir aufgegeben hätten, riefen wir doch noch Sedat an und baten um Hilfe.

Kein Hotel, aber viele hilfsbereite Menschen. Wie überall, in der Türkei!

Kurz später wurde uns ein Platz im Vorraum der Moschee angeboten. Trotz aller Schwierigkeiten waren wir überwältigt von der Gastfreundschaft, auf die wir stießen, und das nicht nur an diesem Tag. Ein Quartier zu finden war oft schwierig, aber, weil die Leute so unglaublich hilfsbereit waren, doch überall möglich. Trotzdem würden wir beim nächsten Mal ein Zelt mitnehmen, oder vorher türkisch lernen!

Ein Zimmer in einem „Lehrerhaus“

Der Weg führt fast immer abseits der großen Straßen und auf unasphaltierten Wegen, von Yalova über Iznik (das byzantinische Nizäa), Eskişehir und Akşehir nach Konya. Die Gastfreundschaft an der gesamten Strecke war so unaufdringlich wie herzlich. Beim Komfort mussten wir zwar deutliche Abstriche machen, aber wir fanden immer ein Dach überm Kopf. Von einem einzigen Mal abgesehen, war es immer sauber, frei von Ungeziefer war es überall.

Die Türkei, die wir kennenlernen durften, hatte so überhaupt nichts mit dem modern- Staat zu tun, den wir aus dem Fernsehen kennen. Altertümliche Landwirtschaft und einfaches Handwerk dominierten, auf Industrie stießen wir nur selten. Landschaftlich war es schön, die Wegführung folgt, anders als bei vielen anderen Weitwanderwegen, primär der Geographie: Es gab kaum Pässe zu überwinden und die Zahl der Höhenmeter hielt sich in Grenzen. Wäre das Land vollkommen leer und, müsste ich möglichst schnell von Istanbul nach Konya, ich würde beinahe auf die gleiche Wegführung kommen. Es soll, so unser Führer, ein alter Pilgerweg nach Mekka sein. Das glaube ich gerne.

Kirschblüte, in der Nähe von Iznik / Nizäa

Wir wurden recht häufig von Leuten zum Essen eingeladen, Teils in Restaurants, Teils in private Häuser. Einladungen ins Teehaus hatten wir täglich, oft mehrmals.

Einmal liefen uns zwei Mädchen nach, die uns zu ihren Müttern brachten. Die buken gerade Fladenbrot für Ramadan, wir durften zusehen und helfen.

Die backenden Frauen. Lisi, steht links hinten.
Begrüßung durch den Muthar

Ein andermal kamen wir in ein dörfliches Fest, zu dem wir als Ehrengäste eingeladen wurden, ein Shake-Hands Foto mit dem Muthar inklusive.

In der ländlichen Türkei sollte man sich einigermaßen an die Bekleidungsvorschriften halten. Shorts sind nicht angebracht, weder bei Frauen, noch bei Männern. Auch Tanktops und Muskelshirts wären vermutlich unpassend. Lisi trug kaum jemals ein Kopftuch, und wenn, dann um sich vor der Sonne zu schützen, oder in den Moscheen, in denen wir mehrmals nächtigten. Wir wissen von mehreren Frauen, die 2019 diesen Weg vollkommen alleine gegangen sind, alle haben übereinstimmend gesagt, dass sie sich durchgehend wohl gefühlt hatten und, anders als in manchem Europäischen Land, nie belästigt wurden. Anatolien ist ein sehr sicheres Land für Wanderer.

Übernachtung in der Moschee. Links sieht man den Heizstrahler, der uns gegeben wurde, damit wir nicht frieren.
Frühling in Anatolien

Landschaftlich ist die Gegend wirklich schön, aber nicht so aufregend, wie so manche Alpenüberquerung, dafür wandert man tagelang durch blühende Kirschplantagen. Der Weg stellt den Wanderer kaum jemals vor Probleme, und wenn, dann nur, weil ein paar Kilometer Querfeldein gegangen werden muss.

Zu Gast. Die ganze Familie ist da, später wurde auch gesungen. Einer der schönsten Abende dieser Wanderung!
Im Teehaus wurde uns immer geholfen, egal, ob wir nach dem Weg gefragt haben, oder einen Platz zum Schlafen gesucht haben

Die Route ist, vom Anfang einmal abgesehen, Großteiles unmarkiert, das soll sich angeblich bald ändern, verlassen würde ich mich aber nicht darauf. Man orientiert sich idealerweise am GPS-Track, den Iris und Sedat verwalten und ständig weiterentwickeln. Den Führer sollte man kaufen, alleine, um die beiden zu unterstützen, er liefert aber auch interessante Informationen zu den Ortschaften, durch die man kommt.

Quartiere findet man zwar immer über den Muthar, den Bürgermeister, den aber findet man besten im Teehaus, wie überhaupt das Teehaus der zentrale Treffpunkt in den Dörfern ist. Mobiles Internet ist fast überall in guter Qualität verfügbar und türkische SIM Karten sind vergleichsweise billig. Beim Sprechen hilft Google Translate.

Von Konya braust man am besten mit 300 km/h mit dem modernen und schnellen Zug nach Ankara. Die Tickets sollte man unbedingt ein paar Tage vorher kaufen, denn der Zug ist oft ausreserviert, wer keinen Sitzplatz hat, fährt nicht mit! Von Ankara aus gibt es tägliche Flüge nach Wien und München. Alternativ könnte man auch nach Antalya fahren, die Busfahrt dauert aber weit länger und soll recht anstrengend sein.

In Konya angekommen: Die „Zertifikate“ bekommt man an Ort und Stelle.

Konya ist eine Stadt, die uns nach all den Wochen am Land beeindruckte. Im Gegensatz zu Ankara fühlten wir uns dort ausgesprochen wohl. Es ist ein ideales Ziel für einen Pilger, denn dort ist Rūmī, ein Heiliger und Sufi- Mystiker, begraben, sein Grab ist beeindruckend, es war aber für uns nicht die wichtigste aller Sehenswürdigkeiten am Weg. Der Weg soll kommendes Jahr bis zur Syrischen Grenze verlängert werden und verläuft dann über weite Strecken gleich mit dem Jerusalemweg.

Zum Schluss war Konya ein krönender Abschluss. Prächtige Moscheen, ein spannender Bazar, kaum Touristen.

Wir denken, dass der April die ideale Reisezeit war, auch wenn wir anfangs ein paar Tage lang sehr schlechtes Wetter hatten, denn Konya liegt in einer trockenen und heißen Senke. Die Leute, die nach uns gegangen sind, jammerten über die große Hitze. Wir hatten eigentlich nie zu heiß, allerdings froren wir in Iznik.

Der Weg ist ungefähr 800 Kilometer lang, das Buch geht von 40 Tagesetappen aus. Wir waren mit 28 Tagen deutlich schneller, die Distanz war korrekt. Der Suffi Trail hat eine Web– und Facebook Seite, Iris und Sedat helfen gerne, wir übrigens auch.

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